Fachbeitrag

Ökologische Sanierung Kleinwasserkraftwerk Juramill

Die Energiegenossenschaft ADEV nahm im Jahr 2023 grössere Umbauten an ihrem Kleinwasserkraftwerk Juramill vor. Der Grund dafür waren jedoch nicht Schäden oder eine wiederkehrende Revision. Es ging darum, die Vorgaben des Bundesgesetzes zur Fischgängigkeit zu erfüllen.

Wer heute aus dem Städtchen Laufen in der Nordwestschweiz in Richtung Delémont fährt, könnte meinen, hier sei ein neues Wasserkraftwerk gebaut worden. Doch das KW Juramill der ADEV Energiegenossenschaft steht dort schon seit Jahrzehnten. Im letzten Jahr wurde die Anlage aber derart modernisiert, dass abgesehen vom Stauwerk und der alten Wasserkraftwerk-Zentrale kaum noch etwas von den früheren Bauten zu sehen ist.

Bemerkenswert ist der Grund für die Sanierungsarbeiten: Denn das Kraftwerk war nicht etwa altersschwach oder beschädigt. Die Sanierung diente lediglich dem Zweck, Hindernisse für die Fischwanderung zu beseitigen. Denn die Schweiz sieht sich in der Pflicht, heimische Fischpopulationen sowie deren Lebensräume besser zu schützen. Zielarten sind Fische wie Forellen, Hechte oder Barben, aber auch Langstreckenwanderer wie der Lachs, von dem man sich eine Rückkehr in die Oberläufe der Schweizer Fliessgewässer erhofft. Gemäss roter Liste gilt heute noch lediglich ein Fünftel der in der Schweiz vorkommenden Arten als ungefährdet.

Vogelschau auf das Areal des Wasserkraftwerks Juramill vor und nach der Sanierung.
Lukas Pitsch

Fische per Gesetz geschützt

Die starke Zerschneidung der Schweizer Bäche und Flüsse ist einer der Hauptgründe, weshalb Fische nicht ungestört wandern können. Fische benötigen im Normalfall einen längeren Gewässerabschnitt als Lebensraum – sei es zur Reproduktion, Nahrungssuche, oder um in kühlere Zonen zu gelangen. Deshalb erliess die Schweiz gesetzliche Vorschriften auf nationaler Ebene, um die Hindernisse zu beseitigen oder zumindest besser passierbar zu machen. Das 2011 in Kraft getretene revidierte Gewässerschutzgesetz verpflichtet die Betreiber von Wasserkraftanlagen dazu, ökologische Beeinträchtigungen zu beseitigen, die durch die Nutzung der Wasserkraft entstanden sind. Bis 2030 müssen Bauwerke saniert werden, welche die Fischwanderung wesentlich behindern. Gleichzeitig wurden die Kantone beauftragt zu bestimmen, welche Kraftwerke verbessert werden müssen. Eine Zusammenstellung über das ganze Land ergab, dass rund 1 000 Querbauten an Kraftwerken saniert werden müssen.

Der Bund erstellte eine Handlungshilfe für die Wiederherstellung der Fischwanderung. Die Wiederherstellung des Fischaufstiegs kann mit Hilfe von technischen Fischpässen oder durch naturnahe Umgehungsgewässer realisiert werden, welche die Fische um das Hindernis herumleiten. Für den Fischabstieg – die sichere Wanderung flussabwärts – gilt es in erster Linie, die Fische vor der Passage der gefährlichen Turbinen zu schützen. Dazu werden die Fische entweder mittels spezieller Leit- und Bypasssysteme um das Maschinenhaus herumgeleitet, oder es werden sogenannt «fischfreundliche» Turbinen eingesetzt, welche die Verletzungsgefahr für Fische reduzieren. Denkbar wäre auch, betriebliche Massnahmen umzusetzen, um die Fische während den Hauptwanderzeiten sicher an den Turbinen vorbei zu führen.

Die Kantone sanieren, der Bund finanziert

Das Energiegesetz der Schweiz sowie die zugehörige Verordnung legen fest, dass Inhaber von bestehenden Wasserkraftanlagen für die Kostenfolgen der notwendigen Sanierungsmassnahmen vollumfänglich entschädigt werden. Dazu gehören nicht nur bauliche Massnahmen, sondern auch die Entschädigung von Erlöseinbussen, falls die Stromproduktion nach der Sanierung weniger wird. Bei den vielen sanierungsbedürftigen Anlagen ist dies ein Vorhaben, welches voraussichtlich mehrere Milliarden Franken kosten wird. Das Bundesamt für Umwelt BAFU, das die Sanierungen begleitet, finanziert diese aus dem Topf des Netzzuschlages, der in der Schweiz auf jeder verbrauchten Kilowattstunde Strom erhoben wird. Dieser Netzzuschlag beträgt aktuell 2,3 Rappen pro Kilowattstunde – 0,1 Rappen davon sind für die Fischgängigkeit reserviert.

Der Kanton Basel-Landschaft entschied, dass die Birs – ein Zufluss des Rheins bei Basel – besser fischgängig gemacht werden muss. Einerseits, um Hindernisse für die örtlichen Fischarten wie Bachforellen oder Äschen zu beseitigen. Andererseits, um die nationalen und internationalen Bemühungen zu unterstützen, den Lachs im Rhein und seinen Zuflüssen wieder anzusiedeln. Der Lachs gilt in der Nordwestschweiz seit Anfang des 20. Jahrhunderts als ausgestorben, nachdem die grossen Flusskraftwerke am Rhein gebaut wurden. Zuvor galt der Rhein als grösster Lachsfluss Europas mit rund einer Million Lachse, die im Fluss schwammen.

März 2023: Der Umbau geht los!
Lukas Pitsch

März 2023: Spundwände werden in die Birs gesetzt.
Lukas Pitsch

Längere Stufen für die Fischtreppe

Als direkter Rheinzufluss ist die Birs ein gutes Laichgewässer für den Lachs. Deshalb gehört der bestehende Fischpass aus dem Jahre 1996 beim Kraftwerk Juramill zu denjenigen, die verbessert werden. Gemäss der Sanierungsverfügung des Kantons wies der Fischpass etliche Mängel auf. Andreas Appenzeller, der seitens der ADEV die Umbauarbeiten koordiniert, fasst zusammen: «Die Becken waren zu klein und zu flach, und die Wasserspiegeldifferenzen zwischen den Becken waren zu gross. Zudem lag der Einstieg zur Aufstiegshilfe zu weit vom Turbinenauslauf entfernt, so dass die Fische ihn schwer finden konnten.»

Ein moderner, technischer Fischpass sollte nun die alte Fischtreppe aus Kalksteinen ersetzen. Auf einer Länge von etwa 100 Metern wird er eine Höhendifferenz von rund drei Metern überwinden. Die neue Konstruktion umfasst 24 Becken, die im Durchschnitt jeweils 3,8 Meter lang sind. Diese grosszügigeren Dimensionen ermöglichen es auch grösseren Fischen, das Kraftwerk einfacher zu passieren. Darüber hinaus wurde die Wassermenge, die durch den Fischpass fliesst, auf 300 Liter pro Sekunde erhöht, was eine Steigerung um das 1,5-fache bedeutet. Die Becken erhielten eine durchgehende Sohle mit Sohlsubstrat, um den Flusslauf besser zu simulieren und auch bodenbewohnenden Wasserlebewesen den Durchgang zu ermöglichen. Man optimierte auch die Auffindbarkeit der Fischtreppe, indem die Strömungsverhältnisse am Auslauf des Kraftwerks durch gezielte bauliche Massnahmen angepasst wurden.

Horizontalrechen eingebaut

Die grössere Herausforderung als der Fischaufstieg stellt der Schutz der abwärts wandernden Fische dar, weil die Tiere oft wehrlos in die Turbine geraten. In den letzten Jahren wurden zwar verschiedene Technologien zum Schutz der Fische getestet, die sich aber allesamt noch in der Entwicklungsphase befinden. Für kleinere und mittlere Fliessgewässer in der Schweiz hat sich ein System aus Horizontalrechen und Bypass herauskristallisiert. Diese Kombination kam auch beim Kraftwerk Juramill zur Anwendung.

Im Zustrombereich des Kraftwerks ersetzt ein neuer Rechen nach dem System Ebel, Gluch & Kehl den vormaligen vertikalen Rechen. Der neue Rechen besteht aus eng beieinander liegenden, horizontalen Streben mit nur 15 Millimeter lichter Weite. Laut Andreas Appenzeller verunmöglicht diese Anordnung, dass auch kleinere Fische, wie zum Beispiel junge Lachse, durchschlüpfen: «Der Horizontalrechen dient dabei nicht nur als Barriere, sondern auch als Leitstruktur, welche die Fische linear zum flussabwärts liegenden Rechenende führt. Von dort gelangen sie in einen seitlich angeordneten Bypass, der sie sicher an der Turbine vorbeiführt.»

Ein weiterer Faktor für die Fischsicherheit ist die Anströmgeschwindigkeit, die maximal 0,5 Meter pro Sekunde betragen soll. Eine geringe Geschwindigkeit verringert das Risiko, dass Fische durch den Sog in die Turbine geraten. Um trotz der geringeren Anströmgeschwindigkeit und dem engeren Rechen ausreichend Wasser für die Turbinenzufuhr zu sammeln, musste der Rechen deutlich grösser dimensioniert und das dahinterliegende Becken erweitert werden.

Ein positiver Nebeneffekt des neuen Horizontalrechens ist der verbesserte Anstrom des Wassers zur Turbine. Damit kann ein Teil der Produktionseinbusse, die aufgrund des Bypasses entsteht, kompensiert werden. Insofern rechnet die ADEV nicht damit, dass die Produktion des Kraftwerks Juramill wesentlich zurückgehen wird.

Plan und Drohnenaufnahme des Wasserkraftwerks:
1) Fischpass
2) Einlauf mit neuem Rechen
3) Fischabstiegshilfe
4) Kraftwerkszentrale mit Hauptturbine
5) Dotierturbine

ADEV / Lukas Pitsch

Sicherer Abstieg durch neuen Bypass

Vor der Sanierung verfügte das Kraftwerk Juramill über keine Fischabstiegshilfe. Eine Fischwanderung talwärts war nur bei Hochwasser möglich, bei geöffneten Schleusen. Dieser Mangel wurde nun behoben: Die Fische, welche entlang des neuen Horizontalrechens zum Bypass gelangen, können durch diesen über zwei Fallstufen sicher zur Unterseite des Stauwehrs absteigen.

Durch den Bypass strömen mit konstanter Geschwindigkeit 800 Liter Wasser pro Sekunde, damit die Fische die Schwimmrichtung beibehalten. Oberhalb der ersten Fallstufe wird etwa die Hälfte des Wassers aus dem Bypass entnommen und durch eine sogenannte Lockstrom-Turbine geleitet, die eine Leistung von 6 Kilowatt erzeugt. Ausserdem führt die Halbierung der Wassermenge dazu, dass die Fische mit weniger Kraft über die Stufe fallen und reduziert so die Verletzungsgefahr.

Nach der Passage der Lockstrom-Turbine fliesst das Wasser gemeinsam mit dem Restwasser aus dem Fisch-Bypass in das unterste Becken der Fischaufstiegshilfe. Der beständige Wasserausfluss sorgt dafür, dass die aufwärts wandernden Fische zielsicher zur neuen Fischtreppe finden.

Entschädigung Produktionsausfall inbegriffen

Für die Sanierung nahm die ADEV das Kraftwerk vom Netz. Andreas Appenzeller zieht Bilanz: «Wir sind mit den Bauarbeiten zufrieden.» Trotzdem ging das Kraftwerk nicht wie ursprünglich geplant Ende Oktober 2023, sondern erst in der ersten Januarwoche 2024 wieder ans Netz. «Wir wollten den Aushub aus dem neuen Einlaufbereich möglichst auf dem Areal lagern, um viele Lastwagenfahrten zu vermeiden. Das nahm jedoch mehr Platz in Anspruch als vorgesehen. Deshalb mussten wir den Bau des neuen Fischpasses nach hinten verschieben.»

Der Umbau dauerte nicht nur länger, sondern kostete am Ende auch mehr als ursprünglich veranschlagt. Anstelle von 4,04 Millionen Franken beliefen sich die Sanierungskosten am Ende auf knapp 5 Millionen Franken. Da aber die gesamte Sanierung ausschliesslich der Verbesserung der Fischgängigkeit diente, wird das Bundesamt für Umwelt (BAFU) sämtliche Kosten übernehmen.

In den Sanierungskosten sind nicht nur sämtliche Bauarbeiten vor Ort enthalten, sondern auch Entschädigungen für den Produktionsausfall über die nächsten 40 Jahre. Durch die grosszügigen Wasserentnahmen für den Auf- und Abstieg, die insgesamt über 1 000 Liter pro Sekunde betragen, geht ein Teil der Kapazität verloren – im hydrologischen Mitteljahr rechnet die ADEV mit einem Produktionsverlust von rund 13 Megawattstunden pro Jahr.

März 2024: Blick auf die fertig gebaute Fischtreppe mit den Schlitzpass-Elementen.
Lukas Pitsch

Umgebung ökologisch aufgewertet

Zum Abschluss der Sanierung wurde das Areal rund um das Kraftwerk ökologisch aufgewertet. Es wurden Steinhaufen angelegt und eine Eisvogelwand errichtet, in welcher die seltenen Vögel ihre Bruthöhlen bauen können. Im Frühjahr wurde die gesamte Fläche begrünt und mit Wildblumensamen bestreut, um die Artenvielfalt zu fördern und den Lebensraum für Insekten und Vögel zu verbessern. Im kommenden Winter werden zusätzlich Bäume rund um das Kraftwerk gepflanzt.

Plan der Umgebungsgestaltung.
ADEV

Die ADEV-Gruppe

Die ADEV-Gruppe mit Sitz in Liestal wurde 1985 im Zuge der Anti-AKW-Bewegung gegen das geplante AKW Kaiseraugst unter dem Namen «Arbeitsgemeinschaft für dezentrale Energieversorgung ADEV» gegründet. Sie baut und betreibt Solarstromanlagen, Kleinwasserkraftwerke, Windenergieanlagen sowie Heizzentralen und Nahwärmenetze.

Als Genossenschaftsunternehmen bietet die ADEV-Gruppe über ihre publikumsgeöffneten Tochtergesellschaften Beteiligungsmöglichkeiten in den Bereichen Wasser, Sonne, Wind und Wärme an. Dabei baut sie auf das Vertrauen von über 2 300 ökologisch bewussten Impact-Investorinnen und -Investoren. Die ADEV-Gruppe verkauft schweizweit vor Ort produzierten Ökostrom und besitzt rund 135 Produktionsanlagen, die im vergangenen Jahr 40 Millionen Kilowattstunden Strom und 26,7 Millionen Kilowattstunden Wärme produzierten.

Mit einem konsolidierten Umsatz von 17,3 Millionen Franken erzielte die ADEV-Gruppe im Jahr 2023 einen Reingewinn von 0,99 Millionen Franken. Die Aktien der ADEV-Gesellschaften werden als Nebenwerte an der BEKB (www.otc-x.ch) gehandelt.

Weitere Informationen unter: www.adev.ch

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Die Sanierung des Kraftwerks Juramill zeigt, wie technische und bauliche Anpassungen die Fischgängigkeit erheblich verbessern können, was einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Fischpopulationen leistet. Die Kombination aus einem modernen Fischpass, einem neuen Horizontalrechen und einem Abstiegs-Bypass optimiert die Durchgängigkeit für Fische und erhöht damit den ökologischen Wert des Gewässers. Gleichzeitig gewährleisten die durchdachten Massnahmen und Modernisierungen die Effizienz des Kraftwerks, indem sie den Produktionsausfall minimieren.

Das Fachwissen des projektleitenden Planungsbüros Entegra Wasserkraft AG und die bauliche Umsetzung durch die Hydro-Solar Water Engineering AG ergaben für das Projekt eine optimale Synergie. Der anspruchsvolle Stahlwasserbau wurde durch die Wiegert & Bähr Turbinen- und Stahlwasserbau GmbH ausgeführt und die Lockstromturbine von der Revita Power GmbH geliefert. Diese Unternehmen konnten ihre langjährige Erfahrung aus zahlreichen Um- und Neubauten hervorragend einbringen. Insgesamt stellt das Projekt ein gelungenes Beispiel dafür dar, wie technische Innovationen und ökologische Verantwortung erfolgreich miteinander verknüpft werden können.

Jean-Luc Perret, Basel